{"id":148,"date":"2014-02-09T18:49:36","date_gmt":"2014-02-09T17:49:36","guid":{"rendered":"http:\/\/p23.eu\/blog\/?p=148"},"modified":"2024-01-31T01:09:30","modified_gmt":"2024-01-31T00:09:30","slug":"vereinbarkeit-von-unvereinbarkeit","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/p23.eu\/blog\/2014\/02\/vereinbarkeit-von-unvereinbarkeit\/","title":{"rendered":"Vereinbarkeit von Unvereinbarkeit"},"content":{"rendered":"
In seinem Beitrag Pirantifa Unvereinbarkeitserkl\u00e4rung? Ich stelle das mal in Frage.<\/a> \u00fcber die von \u00fcber 700 Piraten und fast 50 Gliederungen unterzeichnete Unvereinbarkeitserkl\u00e4rung<\/a> der Pirantifa meint @jottes<\/a>, diese sei nicht mit den Parteigrunds\u00e4tzen und der Freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar. Ich widerspreche.<\/p>\n Die Logik des Beitrags ist im Prinzip wie folgt:<\/p>\n Gleich die Eingangsinterpretation halte ich f\u00fcr falsch. J\u00fcrgen behauptet, die Erkl\u00e4rung w\u00fcrde definieren \u201edass Menschen, die mit einem reden wollen, nicht mit einem reden wollen und man deswegen nicht mit ihnen redet\u201c<\/cite><\/p>\n Dabei steht in der Erkl\u00e4rung<\/p>\n Wer jedoch mit [Diskriminierungsformen] und damit verbundener [\u2026] Gewalt auf uns zukommt, hat sich vom Dialog verabschiedet und ist jenseits der Akzeptanzgrenze.<\/p><\/blockquote>\n Oder noch k\u00fcrzer ausgedr\u00fcckt:<\/p>\n Wer mit Gewalt auf uns zukommt, hat sich vom Dialog verabschiedet.<\/p><\/blockquote>\n Nun k\u00f6nnte man sich trefflich streiten, was genau Gewalt eigentlich ist und an welchem Punkt ein Dialog unfruchtbar wird. Die Erkl\u00e4rung der Pirantifa nimmt hier eine Gewaltdefinition vor, nach der ein Dialog, der mit aktiver Diskriminierung einhergeht (\u201ewer mit [Gewaltformen] auf uns zukommt<\/u>\u201c<\/cite>), als gewaltt\u00e4tig einzustufen und damit abzulehnen ist. Es werden also Grundregeln f\u00fcr einen demokratischen Diskurs aufgestellt, n\u00e4mlich vollst\u00e4ndige Gewaltfreiheit.<\/p>\n J\u00fcrgen interpretiert dies jedoch anders. Nach seiner Meinung ist die Formulierung zwar \u201enicht wirklich eindeutig\u201c, leitet aber dennoch aus der Ablehnung eines bedingungslosen Dialogs eine Ablehnung des parlamentarischen Prozesses als solchen ab. (\u201eWer die anderen demokratisch gew\u00e4hlten Vertreter der B\u00fcrger in einem Parlament nicht akzeptiert, akzeptiert der noch unsere Demokratie?\u201c<\/cite>)<\/p>\n Die Argumentation beruht auf einem Zirkelschluss. Bereits die Eingangsannahme, dass unliebsame Meinungen einzelner zur Dialogverweigerung mit der ganzen Gruppe f\u00fchren m\u00fcsse, ist der Erkl\u00e4rung nicht zu entnehmen. Steht da einfach nicht. Entsprechend ist die weitere Argumentation, hier w\u00fcrde das demokratische System als solches abgelehnt, nicht faktenbasiert und somit eine reine Unterstellung. Eine absurde obendrein, denn warum sollten sich Menschen, die das demokratische System ablehnen, ausgerechnet in einer Partei engagieren, die seit jeher einen radikaldemokratischen Anspruch hat?<\/p>\n An der Stelle frage ich mich, welchen Zweck die Feststellung verfolgen soll, dass die Unvereinbarkeitserkl\u00e4rung nicht mit den Grunds\u00e4tzen der Piraten und der FDGO<\/span> vereinbar sei. Welche Konsequenz folgt denn daraus? Wird mit dieser Behauptung nicht rhetorisch eine rote Linie gezogen, welche die Unterzeichnung der Erkl\u00e4rung zu einem Akt \u201ejenseits der Akzeptanzgrenze\u201c macht? Die unterzeichnenden Menschen also in Wahrheit Antidemokraten sind, eigentlich gar nicht in die Partei geh\u00f6ren und besser verschwinden sollten?<\/strong><\/p>\n Dass Dialog nicht unter allen Umst\u00e4nden gef\u00fchrt wird, halte ich f\u00fcr eine Selbstverst\u00e4ndlichkeit. Zu einem echten Dialog geh\u00f6ren mindestens zwei Seiten die einander respektieren. Wenn ich als Parteimitglied \u00f6ffentlich erkl\u00e4re, dass ich keine Rassisten in der Partei haben will oder z.B. bei CDU-Hardlinern keine Grundlage f\u00fcr einen ernsthaften Dialog sehe, ist das vollkommen legitim und bedeutet eben noch lange nicht, dass mich mich generell nicht mit Menschen von der CDU<\/span> unterhalten kann. Auch in der Demokratie gibt es keine Verpflichtung, mit \u00dcberhaupt kennt die \u201eFDGO<\/span>\u201c keine Verpflichtung zum Dialog unter allen Umst\u00e4nden. Es gibt eine ganze Reihe von definierten F\u00e4llen, in denen z.B. die Meinungsfreiheit oder das aktive &<\/span> passive Wahlrecht eingeschr\u00e4nkt wird (siehe z.B. Art. 5 II<\/span> GG<\/span><\/a>). Es findet immer eine Rechtsg\u00fcterabw\u00e4gung statt, und im Falle der Verletzung anderer Grundrechte wie die Menschenw\u00fcrde darf eine Beteiligung am demokratischen Prozess sogar von Gesetzes wegen unterbunden werden. Kann man gut finden oder nicht, aber ist ganz normaler Teil deutscher Rechtspraxis und widerspricht eben nicht dieser \u201eFDGO<\/span>\u201c.<\/p>\n Weder die \u201eFDGO<\/span>\u201c noch die Parteisatzung schreiben vor, dass grunds\u00e4tzlich mit allen Menschen zu sprechen ist. Im Gegenteil verschlie\u00dfen sich sowohl \u201eFDGO<\/span>\u201c als auch Satzung bestimmten Tendenzen, die als indiskutabel abgelehnt werden. Laut Satzung sind das \u201eTotalit\u00e4re, diktatorische und faschistische Bestrebungen jeder Art\u201c, das Grundgesetz sieht die Schranken z.B. bei Verletzung der Menschenw\u00fcrde oder Bestrebungen gegen die in Art. 20 I\u2011III<\/span> definierte staatliche Ordnung.<\/p>\n Die Frage, ab wann der Grad des Indiskutablen erreicht ist, ab wann also die Regel \u201ekeine Toleranz den Intoleranten\u201c gilt, beantworten weder Satzung noch FDGO<\/span> eindeutig. Die Erkl\u00e4rung der Pirantifa steckt die Grenzen ein St\u00fcck klarer ab und ist ein legitimer Beitrag zum parteiinternen Diskurs.<\/p>\n\n
Arschl\u00f6chern<\/strike> intoleranten Betonk\u00f6pfen zu sprechen.<\/p>\n