Informationelle Selbstbestimmung und das Netz

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Das #Listengate wirft Fragen auf

Im Piraten-Twitter wird aktuell über ein automatisiertes Twitter-Archiv der „Zuse-Crew“ diskutiert, in welchem die Tweets ausgewählter Accounts archiviert und in Zukunft — so die Aussage eines Zuse-Crew-Mitglieds — „soziologisch“ ausgewertet werden.

Ich möchte dieses Archiv an dieser Stelle nicht explizit bewerten. Was mich wundert, ist die Leichtigkeit, mit der Bedenken und Einwände gegen dieses Archiv derzeit vom Tisch gewischt werden.

Daher einige Fragen, die sich imho anlässlich des #Listengate aufdrängen:

  1. Ist etwas dadurch öffentlich, dass es allgemein erreichbar ist?
  2. Ist eine automatisierte, massenhafte Speicherung und Auswertung qualitativ das gleiche wie die Einsichtnahme durch einen einzelnen Menschen?
  3. Bei Twitter gibt es im Gegensatz zu Websites keine „robots.txt“, mit der explizit Suchmaschinenzugriffe erlaubt oder untersagt werden können. Profile sind entweder privat oder allgemein einsehbar. Kann man dadurch (moralisch-ethisch, nicht juristisch) von einer Einwilligung zur Auswertung ausgehen?
  4. Sind soziale Interaktionen, also Kommunikationsinhalte, genauso zu werten wie sonstige im Netz verfügbare Inhalte?
  5. Endet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung an Orten, die allgemein erreichbar sind?
  6. Endet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, wenn es bereits von anderen missachtet wurde?
  7. Wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Internet zu einer Illusion? Wenn ja, welche Lehren müssten wir daraus ziehen?
  8. Wenn Geheimdienste eine systematisierte Auswertung allgemein erreichbarer Informationen durchführen — ist das schlimm?
  9. Wenn Konzerne wie Facebook oder Google eine systematisierte Auswertung allgemein erreichbarer Informationen durchführen — ist das schlimm?
  10. Wenn eine politisch aktive Gruppe in einer Partei, die sich gegen Geheimdienste und Überwachung engagiert, die Kommunikationsaktivitäten einer ausgewählten Gruppe speichert und analysiert — erübrigt sich eine politische Bewertung dieser Vorgänge, wenn es bereits andere gibt die ebenfalls massenhaft Kommunikation speichern? Oder sind diese Handlungen vor dem Hintergrund der politischen Positionen der Piratenpartei unproblematisch?

Ein Gedanke zu „Informationelle Selbstbestimmung und das Netz

  1. Arno Nym

    Ich versuch mal eine Antwort

    Frage 1: Das ist die Definition von öffentlich!
    Frage 2: Da hab ich mir noch keine abschließende Meinung gebildet, würde aber aus dem Bauch herraus sagen Qualitativ ist da nich unbedingt ein Unterschied, Quantitativ allerdings schon.
    Frage 3: Das ist das Wesen von öffentlich, jeder kann mit den Informationen machen was er mag. Die einzige Möglichkeit zur Verhinderung der Verarbeitung ist die Nichtveröffentlichung. Hier ist das Stichwort „Medienkompetenz“
    Frage 4: Das sind 2 verschiedene Punkte. Erstens der Sinn eines Sozialen Netzes ist der, um mit Bekannten in Kontakt zu bleiben und neue Kontakte zu knüpfen. Um neue Kontakte zu knüpfen muß man sehen wer noch dabei ist, heißt die Teilnehmer müßen untereinander öffentlich sein. Desweiteren müßen die üblichen Wege der Kontaktsuche (Region, Sprache, Interessen etc.) ebenso wie die sozialen Beziehungen zumindest für die angemeldeten Benutzer zugänglich sein.
    Beim 2. Punkt, die Inhalte der Kommunikation, da sehe ich zw. einem einem 14.000 Zeichen Blogpost, einer 1400 Zeichen langen Antwort darauf und einem 140 Zeichen langen Tweet keinen Unterschied.
    Frage 5: IANAL, würde die Informationelle Selbstbestimmung aber so interpretieren, das das nur für nichtöffentliche/private Daten gilt. Und gilt nur solange bis man selber diese Information veröffentlicht.
    Du kannst dich ja nicht auf den Marktplatz stellen, sagen „Ich bin in der Piratenpartei“ um dann direkt hinterher zusagen „Das ist eine vom Grundgesetz besonders geschütze Information. Ich will das ihr das alle wieder vergesst“
    Frage 6: IANAL, die IS gilt auch dann.
    Frage 7: Die IS wird nicht im Internet zu einer Illusion, sondern im öffentlichen Raum allgemein.
    Die Lehre daraus heißt Medienkompetenz. Wenn ich eine Information an alle, uneingeschränkt an alle, gebe, heißt das alle, uneingeschränkt alle, haben diese Information. Das ist trivial.
    Frage 8: Auch wenn es niemandem gefällt, aber das ist die Aufgabe eines Geheimdienstes.
    Frage 9: Das ist das Geschäftsmodell dieser Firmen. Diese Firmen machen Riesen Gewinne und womit? Mit den Nutzern bzw. deren Daten. Wem das nicht passt, muss sich halt Alternativen suchen.
    Frage 10: Das ist die eigentliche Kernfrage. Mit der grundsätzlichen Existenz dieser Liste hab ich kein Problem, es gibt unzählige Dienste die den Twitterstream abgreifen. Neben dem offensichtlichem Twitter selber beispielsweise justunfollow, favstar, social bro um nur mal einige zu nennen. Meine Probleme mit der Liste sind die Auswahl der Personen und der Tweets, beides scheint nach keinem (sinnvollem) Kriterium zu folgen. Als zweites hab ich ein Problem damit das da Screenshots gespeichert sind, also auch erhalten bleiben, wenn die Tweets gelöscht sind.

    Das Ganze #mimimi was jetzt gemacht wird, ist der Tatsache geschuldet das den Leuten bewußt wird das Twitter öffentlich ist und wie wenig Medienkompetenz diese Personen haben.
    Alles öffentlich zu machen, heißt schlicht und einfach alles ist öffentlich. Alles Gute, Schlechte, Belanglose, Peinliche, einfach alles. Ob das nun bei einem Dienst für alle frei zugänglich ist oder bei 2 Diensten das ist nun wirklich kein Unterschied.
    Ist eigentlich ganz einfach, wenn ich nicht will das eine Information öffentlich ist, veröffentliche ich die nicht.

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