Krieg ist immer ein Versagen der Weltgemeinschaft

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Zuerst erschienen auf piratenpartei.de als Antwort auf den Beitrag „Reden allein hilft wenig: Das Töten im Nordirak geht weiter“.

Als Pazifist hat man es in Kriegszeiten denkbar schwer. Die Ablehnung von Waffengewalt als Mittel der Konfliktlösung wird allzu gern als »Wegsehen« oder Naivität dargestellt. In Syrien und im Irak kann derzeit schlecht verleugnet werden, dass dem Morden des selbsternannten »Islamischen Staat« ein Ende gesetzt werden muss. Doch Krieg ist niemals eine Lösung – vielmehr ist er der Ausdruck maximaler Eskalation sozialer Konflikte. Ein Versagen der Menschlichkeit, der Weltgemeinschaft.

Auch in innerstaatlichen kriegerischen Auseinandersetzungen geht es selten um rein innerstaatliche Befindlichkeiten – vielmehr handelt es sich um eine Gemengelage unterschiedlichster geopolitischer und machtpolitischer Interessen. Genauso wenig, wie der Ukraine-Konflikt ohne die stetige Ostexpansion der NATO betrachtet werden sollte, kann die derzeitige Situation in Syrien und im Irak sinnvoll beschrieben werden, ohne Saudi-Arabien, Qatar und Iran zu erwähnen und die jahrzehntelangen Diktaturen der Ba’ath-Parteien und dem damit einhergehenden Ausschluss relevanter Bevölkerungsgruppen unter expliziter Duldung der Weltgemeinschaft – auch der »westlichen« – zu benennen.

Überhaupt ist die traurige Tradition der sogenannten »westlichen« Nationen, sich unilateral und oft gewaltsam in die Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen, weiterhin ungebrochen. Humanitäre Erwägungen waren dabei nur selten die Antriebsfeder. Wie würde die Region wohl z.B. aussehen, hätten die »westlichen« Nationen nicht die brutale Diktatur von Mohammad Reza Pahlavi im Iran über Jahrzehnte gestützt und damit erst Vorschub für die fundamental-islamische Revolution ’79 geleistet? Ähnliches ließe sich über viele weitere Diktaturen der Region sagen.

Das Wirken der »westlichen« Staaten ist genauso wie das Wirken von Russland und China von Interessen geleitet. Wir sollten uns daher keine Illusionen machen, dass auch im Falle des »Islamischen Staates« humanitäre Erwägungen ein willkommener Anlass, nicht aber der entscheidende Grund für die Einmischung von Staaten wie Frankreich, die USA oder auch Deutschland ist.

Wenn nun von der »deutschen Verantwortung in der Welt« die Rede ist, frage ich: Kann die Lektion aus der deutschen Vergangenheit, aus Krieg und Vernichtung, nun sein, die Welt mit Rüstungsgütern zu beliefern, deutschen Interessen auch wieder mit Waffengewalt Nachdruck zu verleihen?

Der zweite Weltkrieg war kein Triumph, keine Lösung. Er war der Höhepunkt der Vernichtung und Resultat kollektiven Wegsehens ob des Schreckens, welches sich bereits lange vor dem deutschen Angriff auf Polen abzeichnete. »Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg« galt lange Zeit als eine wichtige Lektion, aus der heraus auch großartige Errungenschaften wie die Vereinten Nationen und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte hervorgingen. Doch Krieg wird zunehmend als legitime Form des Konflikts angesehen, wird auch zur deutschen Normalität.

Auch wenn die Fronten im Fall des »Islamischen Staat« im Gegensatz zum Ukraine-Konflikt vermeintlich klar sind – schließlich gilt der Kampf hier einer »radikalislamischen Terrormiliz« (Tagesschau), wer könnte da widersprechen – so sollten wir uns dennoch klar einer unilateralen Einmischung in einen Bürgerkrieg verweigern. Auch eine ISIS mit tausenden Kämpfern entsteht nicht im luftleeren Raum und wäre ohne Rückhalt in den sunnitisch geprägten Gebieten kaum denkbar gewesen. Sowohl in Syrien als auch im Nachkriegsirak wurde die sunnitische Bevölkerung diskriminiert, inklusive teilweise langjähriger Inhaftierungen ohne Anklage und Misshandlung in Gefängnissen. Ohne diesen Hintergrund wäre ein Erstarken der ISIS in dieser Form wohl nicht möglich gewesen.

Wenn nun die USA und Frankreich direkte Waffenlieferungen an die kurdischen Gebiete durchführen, dann ist das eben nicht nur »selbstlose Hilfe«, sondern auch ein direkter, bewusst einseitiger Eingriff in einen seit langem schwelenden Konflikt nicht nur zwischen Sunniten und Schiiten, sondern auch zwischen Unabhängigkeitsbestrebungen des kurdischen Landesteils des Irak und der Zentralregierung in Bagdad. Die schon länger weitgehend autonom agierenden Kurden planten noch dieses Jahr ein Referendum zur Loslösung vom Irak. Ist einseitige Unterstützung legitim? Eine Entscheidung, die nicht einzelnen Nationen obliegen sollte.

Für die Verhinderung und Lösung von gewaltsamen Konflikten hat die Weltgemeinschaft das Völkerrecht und die Vereinten Nationen erschaffen. Sie sind aus der Erkenntnis heraus geboren, dass die rücksichtslose Verfolgung nationaler Interessen großes Leid hervorrufen kann. Die staatenübergreifenden Instrumentarien (inklusive UN-Sicherheitsrat mit seinem sehr restriktiven Veto-System) sollen Lösungen abseits von Partikularinteressen ermöglichen.

Wenn wir von deutscher Verantwortung reden, also von den Lektionen aus Krieg und Vernichtung, dann sollte dies Konfliktvermeidung sowie die Überwindung nationaler Einzelinteressen bedeuten. Die Vereinten Nationen sollten gestärkt und weiter demokratisiert werden, statt sie mit unilateralen Eingriffen in Konflikte wie derzeit in Syrien und im Irak weiter zu schwächen.

Die Lektion aus Krieg und Vernichtung kann nicht sein, Konfliktparteien mit Waffen auszurüsten. Deutsche Rüstungsexporte müssen gestoppt werden – das gilt für klassische Waffensysteme ebenso wie für Überwachungs- und Unterdrückungstechnologie. Weltweite Abrüstung muss ein klares Ziel deutscher Politik sein.

Dem Morden in Syrien und Irak muss ein Ende gesetzt werden – unter einem UN-Mandat.